Gerade Kinder und Jugendliche, die aus unterschiedlichsten Gründen auf der Schattenseite des Lebens stehen, können oft wenig dafür. Ihre Startchancen sind von Anbeginn schlechter, obwohl sie nichts falsch gemacht haben.
In einer Chemnitzer Tageszeitung hat jemand kürzlich kritisiert, die afroamerikanische Jugend habe „sich sehr stark aus der Verantwortung gezogen; sie verlassen die Schule vorzeitig, schließen nicht einmal die Grundschule ab.“ Vielleicht sind die Verhältnisse in den USA und Deutschland diesbezüglich nicht ganz vergleichbar, doch grundsätzlich gilt, dass nur derjenige für seine persönliche Situation verantwortlich gemacht werden kann, der in der Lage ist, sie selbstbestimmt zu beeinflussen. Tatsächlich haben Kinder und Jugendliche – und das trifft wohl weltweit zu – solche Gestaltungsmöglichkeiten als schwächstes Glied der gesellschaftlichen Kette nur begrenzt. Das darf bei der Beurteilung ihres Werdeganges nicht unberücksichtigt bleiben.
Deshalb ist es gut, dass in Chemnitz die Johanneum-Stiftung existiert, um an diesem wunden Punkt anzusetzen. Und das schon seit 1855. In dem Jahr veranlasste Carl Christian Hübner (1799 – 1880), Teilhaber der Gebr. Hübner Kattundruckerei, durch eine Schenkung an die Stadt Chemnitz die Gründung eines Rettungshauses für verwahrloste Kinder. Namensgeber der kommunalen Stiftung war der sächsische König Johann I. (1801 – 1873). Ausdrücklich benannte Hübner das „Rauhe Haus“ in Hamburg als Handlungsvorbild, das bereits 1833 durch den jungen Theologen Johann Heinrich Wichern eingerichtet wurde – Ausgangspunkt der Diakonie in Deutschland.
Der Grundgedanke lautet: „Kinder brauchen unsere Fürsorge, weil sie unsere Zukunft sind.“ Oder kurz: „Kinder fördern – Zukunft stiften“. Nie ging es dabei um die Frage, inwiefern eine Hilfebedürftigkeit u. U. selbstverschuldet war. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die wechselvolle Geschichte der Stiftung war zu DDR-Zeiten durch Verstaatlichung und Enteignung geprägt. 2002 gelang es, die Kinder- und Jugendstiftung „Johanneum“ in Chemnitz wiederzubegründen. Die angebotenen Projekte kommen jungen Menschen aus der Region zugute, deren Selbstwertgefühl unter Mut- und Perspektivlosigkeit leidet. Die Förderung sozialer und kommunikativer Kompetenzen sowie die Hilfe zur Selbsthilfe stehen im Mittelpunkt – Aufgaben, für die „normalerweise“ vor allem das Elternhaus verantwortlich ist, wenn es denn intakt wäre.
Die Verbindung zwischen steelconcept und der Johanneum-Stiftung besteht schon seit längerem. Wir schätzen die Idee, ihre konkrete Umsetzung und die Zuverlässigkeit der handelnden Personen sehr. Wir wissen, dass unser Geld dort ankommt, wo es wirklich benötigt wird. Und durch das Stiftungskonstrukt ist sichergestellt: Hier werden nicht kommunale Pflichtaufgaben „privatisiert“, sondern es handelt sich um sinnvolle Aktivitäten, die ansonsten mangels Finanzierbarkeit nicht stattfinden würden. So lag es nahe, auch 2016 anstelle von Weihnachtsgeschenken eine Spende zu überweisen. Das Geld ist jetzt in eine Projektwoche zum Thema „Mobilität“ eingeflossen. Vom 16. bis 21.04.2017 waren 13 Jugendliche im Alter von 11 und 12 Jahren mit verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs und konnten erfahren, was dadurch (auch im übertragenen Sinne) an Horizonterweiterung möglich ist. Ein selbstorganisierter Ausflug ins Verkehrsmuseum Dresden gehörte genauso dazu wie das richtige Verhalten im Straßenverkehr und die Anwendung digitaler Navigationshilfen.
Wir danken vor allem dem Schirmherrn Prof. Dr. sc. techn. Reinhard Erfurth, der als unermüdlicher Impulsgeber und Begleiter auch diese Projektwoche wieder zum Erfolg geführt hat – belohnt durch das Strahlen in den Augen der Teilnehmer.